Stets unterschätzt und doch genial – die Faux Calligraphy. Bei dieser Technik wird der optische Eindruck eines Brushpens imitiert.
Mit Hilfe von bestimmten Strichen wird der charmante Strichstärkenkontrast eines Brushletterings nachgeahmt. Da dies praktisch mit jedem normalen Stift möglich ist, bietet die Faux Calligraphy endlose Möglichkeiten für deine Handletterings.
Auf der Startseite wird das Thema bereits angerissen, doch in dieser Anleitung möchte ich dir noch einmal detailliert zeigen, wie die Faux Calligraphy funktioniert und welche Techniken es für fortgeschrittene Handlettering Künstler gibt.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele
Als kleine Inspiration möchte ich dir ein paar meiner Handletterings zeigen, bei denen ich die Faux Calligraphy angewendet habe.
Faux Calligraphy Video-Anleitung
Falsch ist falsch
Bevor wir in die Faux Calligraphy abtauchen, noch ein kurzer Hinweis. Die Faux Calligraphy (auch „falsche Kalligraphie“ oder „Fake Calligraphy“ genannt) ist keineswegs falsch.
Sie ist auch nicht unecht oder ein Fake. Diese Namen sind lediglich entstanden, da die Faux Calligraphy die „echte“ Kalligrafie imitiert. Aus diesem Grund wird sie häufig übergangen oder als notwendiges Übel auf dem Weg zum Handlettering-Künstler wahrgenommen.
Doch das einzige, was wirklich falsch ist, ist genau diese Annahme!
Die Faux Calligraphy ist eine Technik mit ganz eigenem Stil, eigenen Möglichkeiten und überall anwendbar wo die normale Kalligrafie (aus verschiedenen Gründen) versagt.
Und damit genug der Vorworte – lass uns anfangen!
Das grundsätzliche Prinzip
Im Grundsatz ist die Technik schnell erklärt. Sie besteht aus zwei, optionalerweise aus drei Schritten.
Im ersten Schritt wird ein Buchstabe (oder auch ein ganzes Wort) in einer normalen monoline Schrift gezeichnet. Dazu kannst du nahezu jeden Stift benutzen. Auch an das Papier gibt es keine besonderen Anforderungen.
Im zweiten Schritt werden die Linien, die beim Hand- bzw. Brushlettering nach unten (und dementsprechend mit höherem Druck) gezogen werden, durch eine parallele Linie ergänzt und somit verbreitert.
Teilweise ist hierbei auch noch ein kleiner Querstrich nötig, um die Form des sogenannten „Abstriches“ (engl. „Downstroke“) vollständig nachbilden zu können.
Im optionalen, dritten Schritt können die entstandenen Hohlräume noch ausgefüllt werden. Dazu kannst du die Fläche mit der gleichen Farbe oder auch einem Muster füllen. Fertig ist dein Handlettering im Faux Calligraphy Style.
Mit diesen einfachen Schritten kannst du bereits super viel herumexperimentieren. Kleinbuchstaben, Großbuchstaben, Wörter, Texte – alles lässt sich mit der Faux Calligraphy verfeinern.
Möchtest du die Technik entspannt, effektiv und am besten sofort üben, empfehle ich dir mein Faux Calligraphy Workbook.
Nachfolgend schauen wir uns noch weitere Details der Faux Calligraphy an, die vor allem interessant sind, wenn du schon etwas Übung hast.
Herausforderung der Seitenwahl
Bei der Platzierung der parallelen Linien gibt es eine große Herausforderung, die erst auffällt, wenn du dich mit den Details der Schrift beschäftigst.
Da wir die Strichdicke nachträglich anpassen, verändern wir auch die Abstände zwischen den Buchstaben. Damit die Abstände gleichmäßig (und damit harmonisch) bleiben, setzt du die parallelen Linien innerhalb eines Wortes immer auf der gleichen Seite des Striches – also „immer links“ oder „immer rechts“.
So gewährleistest du die Gleichmäßigkeit, doch kannst nicht immer die schönste Variante deines Abstriches wählen.
Was das genau bedeutet, möchte ich dir mit einem Foto verdeutlichen:
Wie du siehst, gibt es Buchstaben, die sich besser links verbreitern lassen und andere Buchstaben wiederum lassen sich besser nach rechts verbreitern.
Andernfalls werden die schönen, filigranen Linien übermalt und der Buchstabe wirkt gedrungener und weniger elegant.
Als „schön“ bezeichne ich die Variante, die näher an dem Stil eines fortgeschrittenen Brushletterings liegt.
Um den Unterschied noch weiter zu verdeutlichen, habe ich eine kleine Animation dazu erstellt:
Nun könnte man anfangen, die Richtungen innerhalb der Buchstaben zu verändern. Dies ist durchaus möglich, führt aber ebenfalls dazu, dass die Anatomie deiner Buchstaben verändert wird und im Gesamteindruck einige Buchstaben schmaler und andere breiter wirken.
Folgende Lösungsansätze sind jedoch denkbar:
- Du ziehst jeweils eine parallele Linie links und rechts (mit kleinerem Abstand). Dies reduziert das Problem, verhindert es aber nicht gänzlich
- Du denkst stärker in Strichen und setzt die Faux Calligraphy Linien immer sofort, wenn du nach einem Teil-Strich den Stift abgesetzt hast.
Letzteres könnte dann beispielsweise so aussehen:
Die Buchstaben bleiben hierbei schon wesentlich filigraner, da weniger Linien überdeckt werden. Die Abstriche hingegen sind kräftig und fett (je nach Bedarf).
Auch bei dieser Variante treten an einigen Stellen weiterhin schwierige Kombinationen auf – ein Großteil wird jedoch wesentlich entschärft.
Technik, Wissen & Gefühl
Am Ende des Tages kommt es auch darauf an, dass du ein Gefühl für die Harmonie der Buchstaben entwickelst und die Linien entsprechend zurechtschummeln kannst.
Dazu gehört auch, die Regeln bezüglich der Ausrichtung (links oder rechts) an den richtigen Stellen zu brechen um den Gesamteindruck gleichmäßig zu halten.
Mit regelmäßiger Übung geschieht dies fast automatisch! Dazu das richtige Wissen über das Hand- und Brushlettering (an dieser Stelle möchte ich dir meinen Handlettering Kurs ans Herz legen) und du wirst in Zukunft mit einwandfreier Faux Calligraphy glänzen.
Viel Spaß beim Üben!
wow ich will das lernen
Ahoi TIMO!
Du bist einfach genial.
Alles PERFEKT beschrieben.
Danke Gabriela
Diese Schrift ist ja theoretisch voll einfach! Voll coll!
Diese Schrift gefällt mir so gut. Ein solches Lettering Tattoo könnte ich mir auch noch sehr gut vorstellen. Muss das mal meinem Tätowierer zeigen… 🙂